Wann hebt der Verfassungsgerichtshof Gesetze auf?

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat viele Aufgaben (siehe Post 7). Am meisten Aufmerksamkeit erregt er aber, wenn er ein Gesetz oder Teile davon aufhebt. 

Die Bundesverfassung sagt, dass jedes staatliche Handeln eine Grundlage in einem Gesetz haben muss. Das heißt auch, dass die Erlassung von Gesetzen durch den Nationalrat oder einen Landtag nicht bloß eine politische Entscheidung ist, sondern dass das in Ausführung (oder fachlich korrekt „Vollziehung“) eines Gesetzes geschieht. Und dieses Gesetz ist die Bundesverfassung. Wenn das so ist, dann soll auch jemand kontrollieren können, ob „alles passt“. 

Der VfGH erkennt aber nicht nur über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen sondern auch ob Verordnungen, die Verwaltungsbehörden (z. B. ein Bundesminister) erlassen, Gesetzen entsprechen. Und der VfGH kann prüfen, ob Staatsverträge (nach österreichischem Verfassungsrecht) rechtmäßig abgeschlossen wurden. Wenn der VfGH zur Auffassung kommt,  dass ein Gesetz (eine gesetzliche Bestimmung) verfassungswidrig ist, eine Verordnung nicht durch ein Gesetz gedeckt ist usw., so hat er es (sie) aufzuheben. 

Bei Bundesgesetzen prüft der VfGH am Maßstab des Bundesverfassungsrechts. Dazu gehört auch die Europäische Menschenrechtskonvention. Und er prüft auch am Maßstab bestimmter Rechte der EU-Grundrechtecharta (da ist er ziemlich einzigartig in Europa). Der VfGH prüft nicht, ob ein Gesetz auch Europarecht entspricht. Dafür gibt es den Europäischen Gerichtshof. 

Es kann auch sein, dass der VfGH in einem sonstigen Fall, den er behandelt, fragt, ob ein Gesetz verfassungswidrig sein könnten. Dann kann er von Amts wegen, also von sich aus, ein Gesetzesprüfungsverfahren durch einen so genannten Prüfungsbeschluss einleiten. Das ist z. B. bei der Entscheidung über die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare (https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_Entscheidung_G_258-2017_ua_Ehe_gleichgeschlechtl_Paare.pdf) passiert. Die Entscheidung, ob er so eine Prüfung beginnt, trifft der VfGH alleine. Niemand kann ihn dazu verpflichten. 

Wenn andere Gerichte (z. B. der Verwaltungsgerichtshof, ein Verwaltungsgericht oder ein ordentliches Gericht) Zweifel haben, ob eine Gesetzesbestimmung verfassungsmäßig ist, die sie in einem Fall anwenden müssen, dürfen sie nicht allein darüber entscheiden. Sie müssen sich dazu an den VfGH wenden.