Sprechen wir über Regierungen und Parlamente

Die EU ist keine internationale Organisation, wie es viele gibt, und die sich auf spezielle Bereiche beschränken. In der EU werden, ganz im Gegenteil, für sehr viele Politikbereiche gemeinsame Regeln vereinbart, es gibt gemeinsame Einrichtungen, gemeinsam werden laufend Entscheidungen getroffen und ihre Rechtsakte wirken unmittelbar für jeden und jede, der/die in einem EU-Mitgliedstaat lebt. Da aber alle diese Staaten eine demokratische Verfassung haben, hat sich über kurz oder lang auch die Frage gestellt, wie es die EU mit Demokratie hält.

Die erste Antwort darauf war, dass zumindest einige Mitgliedstaaten auch ihre Parlamente in EU-Angelegenheiten eingebunden haben. Die Regierungen in diesen Staaten müssen seither die Abgeordneten über ihre Aktivitäten informieren und – wenn auch nicht überall – die Zustimmung zu bestimmten Entscheidungen einholen. Die zweite Antwort war der Ausbau des Europäischen Parlaments (über das wir später noch genauer schreiben werden). Die dritte Antwort war schließlich, dass die Parlamente der Mitgliedstaaten auch direkt an bestimmten EU-Beratungen mitwirken und einzelne Angelegenheiten mitentscheiden. Seit dem Abschluss des sogenannten Vertrags von Lissabon 2008 spricht man daher auch von zwei Säulen der demokratischen Legitimation der EU: dem Europäischen Parlament und den Parlamenten der Mitgliedstaaten.

Damit Österreich 1995 der EU beitreten konnte, war es notwendig, die Bundesverfassung zu ändern (das war auch der Grund für die Volksabstimmung!). Dafür war die Zustimmung von Oppositionsparteien erforderlich. Die Grünen und das Liberale Forum bestanden dabei auf starke Rechte des Parlaments (mehr dazu hier). Der Nationalrat kann seither der Bundesregierung Vorgaben dafür machen, wie sie sich bei Abstimmungen auf EU-Ebene verhalten soll. Allerdings braucht es für eine solche „bindende Stellungnahme“ die Unterstützung der Mehrheit. Da diese aber die Regierung stellt, werden Stellungnahmen vor allem dazu eingesetzt, die Regierungsposition zu stärken.

Im Vertrag von Lissabon ist nun seit 2008 geregelt, dass die Parlamente der Mitgliedstaaten auch direkt in EU-Entscheidungen eingebunden werden. Das geschieht durch Information, das sogenannte Frühwarnsystem zur Subsidiaritätskontrolle (mehr dazu später) und die Zustimmung der Parlamente zu Änderungen der EU-Verträge. 2010 wurde die österreichische Bundesverfassung an diese neuen Regeln angepasst. Die SPÖ-ÖVP-Regierung brauchte dafür die Zustimmung der Grünen, die auf einem weiteren Ausbau der Parlamentsrechte bestanden. Besonders wichtig war eine ausreichende und zeitgerechte Information des Parlaments und der Öffentlichkeit (oft hatte die Bundesregierung Dokumente erst mit großer Verspätung oder gar nicht geschickt), der Beschluss vieler Vertragsänderungen nur mit 2/3-Mehrheit im Parlament, die Einrichtung der EU-Datenbank und mehr Diskussion über EU-Themen in Nationalrat und Bundesrat. Keine Lösung wurde für die Forderung der besseren Einbindung des Nationalrates in EU-Personalentscheidungen gefunden. Sie bleibt, wie vor kurzem die Diskussion über die Nominierung eines österreichischen Mitglieds des Europäischen Gerichtshofes gezeigt hat (mehr hier), umstritten.

Mit dem Vertrag von Lissabon hat auch die Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten der Mitgliedstaaten an Bedeutung gewonnen. Das zeigt sich auch darin, dass der österreichische Ratsvorsitz nicht nur von der Regierung bestritten wird. Auch Nationalrat und Bundesrat organisieren eine Reihe parlamentarischer Konferenzen und Treffen und bringen sich so in die Debatten ein. Mehr dazu findet sich hier: https://www.parlament.gv.at/EU2018/