Artikel 1 B-VG

REPUBLIK

Artikel 1 der österreichischen Bundesverfassung aus dem Jahre 1920 lautet: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“. Es wird dadurch feierlich erklärt und festgelegt, dass Österreich einerseits eine „Demokratie“ und andererseits eine „Republik“ sein soll. Beide Grundsätze sollen nicht geändert oder abgeschafft werden. Ihre Änderung wäre eine Gesamtänderung der Bundesverfassung und müsste auch eine Mehrheit in einer Volksabstimmung bekommen.

Der Staat soll keine Familiensache sein

Diese wichtigen Begriffe, Demokratie und Republik, stehen ganz bewusst am Anfang der Bundesverfassung: Ihr erster Satz soll klarstellen, dass Österreich keine Monarchie ist und sein darf.

Obwohl es mehrere Formen der Monarchie gibt, ist allen Formen gemeinsam, dass an ihrer Spitze ein König oder Kaiser, eine Königin oder Kaiserin steht. Sie gelangen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer königlichen oder kaiserlichen Familie an die Macht und bleiben es bis zu ihrem Tod. Ein großer Teil des heutigen Österreich wurde so über 600 Jahre vom „Haus Habsburg“ beherrscht. In der Monarchie wird die Nachfolge in der Herrschaft als eine Familienangelegenheit angesehen und innerhalb der Familie geregelt.

Das Staatsoberhaupt in der Republik

Der Begriff „Republik“ drückt dagegen aus, dass der Staat ein öffentliches Anliegen ist und nicht die Privatangelegenheit eines Herrscherhauses. Natürlich gibt es auch in der Republik ein Staatsoberhaupt. Das republikanische Staatsoberhaupt wird aber für eine bestimmte Zeit gewählt und kann auch wieder abberufen werden.

In Österreich ist das Staatsoberhaupt der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin. Er oder sie wird alle sechs Jahre vom Volk neu gewählt. Um sich der Wahl zu stellen, muss ein Kandidat oder eine Kandidatin mindestens 35 Jahre alt sein. Sie kann, trotz der Möglichkeit einer Wiederwahl, das Amt nur maximal 12 Jahre ausüben. Der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin kann auch vor dem Verfassungsgerichtshof angeklagt und durch eine Volksabstimmung abberufen werden.

Die öffentlichen Angelegenheiten

Das Wort Republik kommt vom Lateinischen res publica, das sind die öffentlichen Angelegenheiten, die in der Republik „Sache des Volkes“ sind. Die res publica hat eine über 2000-jährige Geschichte. Die Begriffe „Republik“ und „republikanisch“ werden aber erst seit dem 17. Jahrhundert im Deutschen verwendet. Das Wort wurde aus dem Französischen übernommen.

Schon die römische Republik der Antike definierte Republik als ein Gegenmodell zur Monarchie. Seit der römischen Republik liegt im Begriff „Republik“ sogar ein gewisses Bekenntnis zur repräsentativen Regierungsform – also der Regierung durch auf Zeit gewählte Amtsinhaber – , als eine der Grundformen des Staatsaufbaus. Die aktuelle Gestaltung einer Republik kann allerdings starke Unterschiede aufweisen. Republiken müssen nicht zwingend demokratisch organisiert sein (z.B. China, Vietnam, Kuba), und es gibt Demokratien, die keine Republiken sind (z.B. Vereinigtes Königreich, Belgien, Niederlande, Schweden).

In Österreich wurde die Monarchie nach dem Ende des 1. Weltkriegs 1918 abgeschafft und eine „demokratische Republik“ errichtet. Man spricht von der 1. Republik, die von 1918 bis 1933 dauerte. 1934 wurde eine neue Verfassung erlassen, die Österreich in einen autoritären Staat umwandelte. Es gab kein demokratisch gewähltes Parlament mehr, und der Bundeskanzler hatte umfassende Entscheidungsmacht. 1938 kam es zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich; der Staat Österreich hörte zu bestehen auf. 1945, nach Ende des zweiten Weltkriegs, wurde die Bundesverfassung von 1920 wieder in Kraft gesetzt. Österreich bekennt sich seither wieder dazu, eine demokratische, parlamentarische Republik zu sein (2. Republik).

Die Bürgerinnen und Bürger bringen sich ein

Wenn der Staat eine „öffentliche Angelegenheit“ sein soll, dann sind die Bürger und Bürgeinnen nicht Untertanen, die gehorchen, sondern sie bringen sich aktiv ein. Das geschieht vor allem durch ihre Mitwirkung bei Wahlen und Abstimmungen. Sie sollen sich aber auch laufend über alles Geschehen im Staat informieren können und die Entwicklungen in Staat und Gesellschaft aktiv mitgestalten (siehe Text Demokratie). Die Versammlungs- und Vereinsfreiheit soll sicherstellen, dass sich Bürgerinnen und Bürger zusammenschließen können. Die Meinungsfreiheit sichert, dass sie sich frei und kritisch äußern können. Die „öffentlichen Angelegenheiten“ müssen in der Demokratie zu Angelegenheiten der Bürgerinnen und Bürger werden und bleiben.

Rechte und Pflichten

Staatsbürgerinnen und -bürger haben gegenüber der Republik Österreich Rechte und Pflichten. Sie haben politische Mitgestaltungsrechte, vor allem das Recht zu wählen bzw. gewählt zu werden. Sie haben als Ausweis ihrer Zugehörigkeit zur Republik Österreich einen österreichischen, zugleich europäischen Reisepass. Sie können frei reisen. Im Ausland erhalten sie konsularischen und diplomatischen Schutz. Steuern zahlen und dem Ansehen Österreichs nicht schaden, für männliche Staatsbürger überdies einen sechsmonatigen Dienst beim Bundesheer oder einen Ersatzdienst in einer sozialen Einrichtung leisten, sind nicht nur Pflichten, sondern zugleich konkrete, unterstützende Beiträge zu den „öffentlichen Angelegenheiten“.

Unser Verständnis von Republik stellt darauf ab, dass die „öffentlichen Angelegenheiten“ Anliegen der Bürgerinnen und Bürger eines Staates sind. Heute ist es aber so, dass in vielen Staaten Menschen leben, die keine Bürgerinnen oder Bürger des jeweiligen Staates sind. Manche von ihnen bleiben nur eine Zeit lang in einem Staat, andere bleiben für immer, sie arbeiten hier, haben Kinder und Familie. Solange sie aber nicht die Staatsbürgerschaft eines Staates haben, bleiben sie von den wichtigsten politischen Mitwirkungsrechten ausgeschlossen.

Wie wird man in Österreich Staatsbürgerin oder Staatsbürger?

In Österreich ist der Erwerb und der Verlust der Staatsbürgerschaft im Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geregelt.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben: durch Abstammung, Heirat oder Verleihung.

So erhalten etwa Kinder mit ihrer Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn Mutter oder Vater oder beide österreichische Staatsbürger bzw. Staatsbürgerin sind.

Fremde haben ein Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn sie eine Österreicherin bzw. einen Österreicher heiraten und fünf Jahre gemeinsam mit diesem in einer Ehe leben.

Wer seit mindestens 10 Jahren rechtmäßig in Österreich ist, kann einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft stellen. Er bzw. sie muss jedoch ausreichend Geld verdienen, um sich selbst erhalten zu können, er bzw. sie darf zu keiner gerichtlichen Freiheitsstrafe verurteilt worden sein, muss ausreichend Deutsch können und Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes in einer besonderen Prüfung nachweisen. Er bzw. sie muss der Republik Österreich positiv gegenüber eingestellt sein und frühere Staatsangehörigkeiten zurücklegen. Nur in Ausnahmefällen werden Doppelstaatsbürgerschaften genehmigt, etwa wenn besondere, hervorragende Leistungen im Dienst oder im Interesse der Republik erbracht wurden oder erwartet werden können.

Wer eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, verliert die österreichische Staatsbürgerschaft, (Ausnahme: Genehmigung einer Doppelstaatsbürgerschaft in besonderen Fällen). Auch wer in den Militärdienst eines fremden Staates eintritt verliert die Staatsbürgerschaft.

Zur Entziehung der Staatsbürgerschaft kommt es, wenn jemand für einen anderen Staat arbeitet und dadurch den Interessen oder dem Ansehen Österreichs schadet. Auch wenn sich jemand freiwillig für eine bewaffnete Organisation aktiv an Kämpfen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Ausland beteiligt, kann die Staatsbürgerschaft entzogen werden.

Die Verleihung kann auch dann wieder rückgängig gemacht werden kann, wenn jemand im Rahmen des Verleihungsverfahrens falsche Angaben gemacht hat.

Die österreichische Rechtssprache verwendet das Wort Staatsbürgerschaft, die deutsche das Wort Staatsangehörigkeit. Die Schweiz bevorzugt Kantons- und darauf aufbauend Bundesbürgerschaft.

Unionsbürgerschaft

Unionsbürgerin bzw. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt (siehe Text Österreich in der Welt). Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzu, ersetzt sie aber nicht. Unionsbürgerinnen und Unionsbürger genießen Freizügigkeit, Aufenthaltsfreiheit, das Petitionsrecht, ein Beschwerde- und Informationsrecht in den Sprachen der europäischen Verträge über EU Angelegenheiten, das aktive und passive Wahlrecht für die Europawahlen und für die Gemeindewahlen in jenem Land der EU, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Sie sind in jedem und durch jeden Mitgliedstaat diplomatisch und konsularisch geschützt, wie dessen eigenen Staatsangehörigen auch. Aus dem Grund der Staatsbürgerschaft darf keine Unionsbürgerin und kein Unionsbürger von Mitgliedstaaten der EU diskriminiert werden.

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