Gibt es ein Recht der Mitglieder auf Bestand des Selbstverwaltungskörpers?

Derzeit wird die Zusammenführung der Sozialversicherung diskutiert. Dabei sollen die bisherigen Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse („ÖGK”) zusammengeführt werden. Befürworter erhoffen sich eine Steigerung der Rechtssicherheit und Servicequalität. Mehrere Bundesländer und viele Versicherte wollen jedoch „ihre“ regionalen Gebietskrankenkassen behalten und sprechen sich gegen eine zentrale Stelle in Wien aus.  

Es stellt sich also ganz aktuell die Frage, ob die Mitglieder eines Selbstverwaltungskörpers ein Recht darauf haben, dass der Selbstverwaltungskörper, dem sie bisher angehörten, in dieser Form weiterbesteht. 

Der Verfassungsgerichtshof hat diese Frage in der Entscheidung VfSlg. 19.919/2014 (Auflösung eines Fachverbands) verneint. Es ging um die Organisation der Wirtschaftskammer. Konkret wehrte sich der Fachverband der Gießereiindustrie gegen die Zusammenlegung mit dem Fachverband der Maschinen und Metallwaren. Eine solche Zusammenführung einzelner Fachverbände war in der Satzung der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) vorgesehen.  

Die Mitglieder des Fachverbandes der Gießereiindustrie wollten jedoch, dass ihre Interessen weiterhin in einem eigenen Fachverband vertreten werden und beriefen sich unter anderem auf Artikel 120a B-VG  die verfassungsgesetzliche Grundlage für nicht-territoriale Selbstverwaltung (siehe unseren Post zu diesem Thema). Der VfGH stellte klar, „dass Art. 120a B-VG zwar die Einrichtung der Selbstverwaltung als solche schützt (gemäß seinem 2. Absatz insbesondere die der beruflichen Selbstverwaltung), die Organisation der Selbstverwaltung als solcher und die Einrichtung von einzelnen Selbstverwaltungskörpern aber der Gesetzgebung überlässt. Diese Bestimmung verleiht nicht jeder einzelnen Einrichtung im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung Bestandschutz.“ 

Mitglieder eines nicht-territorialen Selbstverwaltungskörpers haben also grundsätzlich kein Recht auf Fortbestand des Selbstverwaltungskörpers, dem sie angehören (zu einem bestimmten Grad gilt eine Bestandsgarantie nur für berufliche Vertretungen im Rahmen der Sozialpartnerschaft, siehe bereits Text 5). Dasselbe gilt übrigens auch für die individuellen Gemeinden: Dies wurde 2014 bei der Zusammenlegung mehrerer Gemeinden in der Steiermark diskutiert (VfSlg. 19.894/2014).