Wer wird schließlich Mitglied des Nationalrats?

Die Stimmen, die eine Partei bei Nationalratswahlen erreicht, sind eine Sache. Eine andere Sache ist es, wie aufgrund der Stimmen die Sitze im Nationalrat an ganz konkrete Personen verteilt werden. In Österreich geschieht das so, dass die Zahl der Sitze einer Partei im Nationalrat möglichst den Stimmen entspricht, die diese bei der Wahl erhalten hat. Es soll nicht so sein, dass Stimmen „unter den Tisch“ fallen (Das ist etwa in Großbritannien der Fall, wo in jedem Wahlkreis nur ein Abgeordneter mit Mehrheit gewählt wird. Die Stimmen der

„Verlierer“ werden nicht gezählt.).

Es gibt aber eine Grundregel: Einen Sitz im Nationalrat kann nur bekommen, wer ein Mandat in einem Regionalwahlkreis gewinnt (dazu gleich), oder wer in ganz Österreich mindestens 4% der Stimmen erhält. Damit sollen nur Parteien im Nationalrat vertreten sein, die über größere Unterstützung verfügen. Eine „Zersplitterung“ des Nationalrates in viele kleine Parteien soll verhindert werden.

Österreich ist bei Nationalratswahlen in 39 Regionalwahlkreise, 9 Landeswahlkreise (= Bundesländer) und die Bundesebene eingeteilt. Die 183 Mandate (= Sitze) im Nationalrat werden im Verhältnis der Zahl der Staatsbürger/innen (und nicht der Wahlberechtigten) auf die Regionalwahlkreise aufgeteilt. Das sind dann die Mandate, die maximal in dem Wahlkreis verteilt werden können.

Als allererstes wird in jedem Bundesland die Wahlzahl ermittelt. Dafür werden alle bei der Wahl in diesem Bundesland abgegebenen gültigen Stimmen durch die Anzahl der Mandate, die in diesem Bundesland erlangt werden können, geteilt.

Dann werden die Stimmen, die jede Partei in einem Wahlkreis bekommen hat, durch die Wahlzahl dividiert. Wenn das Ergebnis 1 oder größer ist, dann hat die Partei schon ein Mandat sicher (man sagt dazu auch „Grundmandat“). Grundmandate sind dann sehr wahrscheinlich, wenn Parteien insgesamt sehr viele Stimmen erzielen. Und tatsächlich wird ein guter Teil der Abgeordneten der größeren Parteien im Regionalwahlkreis gewählt. Bei der Nationalratswahl 2013 wurden 75 von 183 Mandaten auf diese Weise zugeteilt.

Aber wie es bei Divisionen oft der Fall ist, es bleibt ein „Rest“ oder das Ergebnis bleibt kleiner als eins. Bei einer Wahl sollen aber möglichst keine Stimmen „verloren gehen“. Der „Rest“ aus dem Regionalwahlkreis wandert daher – bildlich gesprochen – weiter auf die Landesebene. Allerdings werden hier nur jene Parteien berücksichtigt, die schon ein Grundmandat haben, oder die in ganz Österreich 4% der Stimmen erhalten haben.

Dann werden alle Stimmen (also nicht nur der „Rest“), die eine Partei im Bundesland erhalten hat, wieder durch die Wahlzahl dividiert. Die Sitze, die eine Partei schon im Regionalwahlkreis gewonnen hat, werden abgezogen. Es soll ja keine doppelte Zuteilung geben. Jetzt werden außerdem nur jene Personen berücksichtigt, die auf dem Landeswahlvorschlag stehen. Auf Landesebene haben auch kleinere Parteien gute Chancen. Bei der Nationalratswahl 2013 wurden auf diese Weise 69 von 183 Mandaten verteilt.

Jetzt gibt es aber noch immer „einen Rest“ bei jeder Partei, und die bisher erzielte Verteilung der Mandate entspricht (vor allem bei den kleineren Parteien) noch nicht der Gesamtzahl der Stimmen, die die Parteien jeweils erhalten haben. Daher gibt es noch ein drittes Verfahren, das auch als „bundesweiter Proportionalausgleich“ bezeichnet wird. Damit soll eine möglichst proportionale, also verhältnismäßige Verteilung der Sitze garantiert werden.

Hier dürfen nur Parteien teilnehmen, die auch einen Bundeswahlvorschlag (= Bundesliste) eingereicht haben. Es werden bei der Verteilung der Sitze daher auch nur Personen berücksichtigt, die auf der Bundesliste stehen. Wieder dürfen nur jene Parteien teilnehmen, die schon ein Grundmandat oder 4% der Stimmen in ganz Österreich erreicht haben. Jetzt werden alle 183 Mandate verteilt. Dafür wird aber eine neue Wahlzahl nach dem sogenannten D’Hondtschen Verfahren errechnet. Das ist ein Divisionsverfahren, bei dem die Stimmen jeder Partei nebeneinander geschrieben, und dann jeweils zuerst durch zwei, durch drei usw. bis 183 dividiert werden. Die 183-größte Zahl in dieser Tabelle ist dann die Wahlzahl.

Jede Partei erhält soviele Mandate, wie oft die Wahlzahl in ihrer Stimmensumme enthalten ist. Bei diesem Verfahren bleibt kein Rest.

Wieder gilt: Die Sitze, die eine Partei schon in den Regionalwahlkreisen und in den Bundesländern gewonnen hat, werden abgezogen. Es soll ja keine doppelte Zuteilung geben. Bei der Nationalratswahl 2013 wurden 39 von 183 Mandaten auf diese Weise zugeteilt. Sehr anschaulich dargestellt hat dieses Verfahren der Politikwissenschaftler Flooh Perlot hier.

Übrigens: Es ist ja möglich, dass jemand auf mehreren Listen kandidiert . Daher kann auch der Fall eintreten, dass jemand zwei oder sogar drei Mandate (Regionalliste, Landesliste, Bundesliste) bekommen könnte. Da man sich aber nicht teilen kann, muss die Kandidatin oder der Kandidat entscheiden, welches Mandat sie bzw. er annimmt. Die anderen gehen dann an die jeweils nächstgereihte Person.