Was ist eine Minderheitsregierung?

Minderheitsregierung bedeutet, dass die Bundesregierung keine dauernde oder fixe Unterstützung einer Mehrheit im Nationalrat hat. Seit 1945 hat es nur einmal eine Minderheitsregierung in Österreich gegeben, und dass auch nur für einige Monate im Jahr 1970. In anderen Staaten ist eine solche Regierungsform durchaus üblich. Tradition hat sie in Skandinavien, aber in den letzten Jahren gab es z. B. auch in Irland oder Portugal eine Minderheitsregierung. 

Ob eine Minderheitsregierung zustande kommt, hängt vor allem davon ab, ob der Bundespräsident ihr zutraut, dass sie es „schaffen“ wird. Er entscheidet, ob er die/den Bundeskanzler/in ernennt, der oder die eine Minderheitsregierung bilden will. Wenn der Bundespräsident Zweifel hat, kann er entweder auffordern, doch noch nach einer Koalition zu suchen, oder er kann jemand anderen mit der Regierungsbildung beauftragen. Wenn „gar nichts mehr geht“, kann er mit den Parteien im Nationalrat Gespräche über Neuwahlen führen oder selbst (allerdings nur auf einen entsprechenden Vorschlag der im Amt befindlichen Bundesregierung hin) den Nationalrat auflösen. 

Minderheitsregierungen sind jedenfalls mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Wenn sie ein Programm umsetzen wollen, für das es Gesetzesänderungen braucht, müssen sie von Fall zu Fall Unterstützung dafür im Parlament suchen. Weil sie aber keine „fixe Mehrheit“ im Parlament haben, besteht immer die Gefahr, dass die Minderheitsregierung „das Vertrauen“ und damit ihr Amt verliert. Es gibt aber auch Chancen, die mit einer solchen Regierungsform verbunden sind: Eine Minderheitsregierung ist nicht an einen einzelnen Partner gebunden. Die Oppositionsparteien haben die Chance, auch ihren Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen. Schließlich können Parlament und Öffentlichkeit gewinnen: Im Unterschied zu Koalitionsregierungen müssen Minderheitsregierungen viel „offener“ verhandeln, ihre Standpunkte genauer begründen und sich viel detailliertere Fragen stellen lassen. Schließlich ist ja „noch nicht alles ausgemacht“. 

Es gibt aber zumindest zwei Gründe, warum es Minderheitsregierungen in Österreich „besonders schwer“ haben können: Damit eine Regierung ihre Ideen umsetzen kann, müssen hier in aller Regel Gesetze geändert werden, für die es eine Mehrheit im Parlament braucht. Wenn eine Regierung auch andere Möglichkeiten hat (z. B. Regierungsverordnungen), dann ist es für eine Minderheitsregierung leichter. Für die Änderung vieler (besonders wichtiger) Gesetze ist es in Österreich notwendig, auch Verfassungsrecht zu ändern (vor allem, wenn es um die Frage geht, ob Bund oder Länder für eine Aufgabe zuständig sein sollen). Dafür braucht es aber im Nationalrat immer eine 2/3-Mehrheit. Diese ist schon für eine „normale“ Regierung nur schwer zu erreichen, für eine Regierung, die von weniger als der Hälfte der Mitglieder des Nationalrats fix unterstützt wird, ist es dementsprechend noch schwerer (mit anderen Worten: Der politische Preis lässt sich in solchen Fällen sehr „hoch treiben“).