Kann Österreich jetzt ein autoritärer Staat werden?

Viele Menschen in Österreich und Europa verfolgen gerade mit Sorge, was in Ungarn und Polen passiert. Dort werden demokratische Einrichtungen eingeschränkt und die Regierungen gestärkt. Es heißt dann zwar, dass diese Änderungen nur der Bekämpfung der Ausbreitung von COVID-19 dienen sollen. Aber viele befürchten, dass auch andere Maßnahmen umgesetzt werden und z.B. Journalistinnen und Journalisten in ihrer Arbeit eingeschränkt werden sollen. 

Die österreichische Bundesverfassung enthält keine Möglichkeit, den „Ausnahmezustand“ auszurufen und Parlament oder Gerichte einzuschränken. Sie erlaubt es aber, dass jetzt Grundrechte (wie z.B. das Recht auf Bewegungs- und Versammlungsfreiheit oder auf private Zusammenkünfte) eingeschränkt werden. Das darf aber nur dann passieren, wenn die Maßnahmen gesetzlich vorgesehen und genau definiert sind, sachlich begründet werden können und vor allem auch zeitlich beschränkt sind. Wichtig ist: Alle Gesetze, Verordnungen und Erlässe, die jetzt beschlossen werden, können von den Gerichten überprüft werden. Der Verfassungsgerichtshof kann Gesetze und Verordnungen aufheben. Aber – und das ist ein wichtiger Einwand – das braucht alles Zeit. 

Wenn man demokratische Einrichtungen oder Gerichte beschränken wollte, dann müsste man die Bundesverfassung ändern. Damit das passieren kann, muss mindestens die Hälfte der Abgeordneten im Nationalrat anwesend sein, und zwei Dritteln von ihnen müssten zustimmen. Und dann wäre eine solche Einschränkung höchstwahrscheinlich eine „Gesamtänderung“ der Bundesverfassung, weil ja in die wichtigsten Grundlagen eingegriffen würde. Eine solche Gesamtänderung kann aber nur dann vorgenommen werden, wenn auch eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung zustimmt. 

Aber – und das ist sehr wichtig! – man kann jetzt einwenden, dass es vielleicht gar keine Änderungen der Verfassung braucht. Es reicht vielleicht, dass man jetzt beginnt, die Bundesverfassung „anders“ oder „neu“ zu verstehen: Also etwa sagt, dass es die Juristinnen und Juristen mit ihrer Kritik übertreiben, dass Gesundheit doch vor andere Rechte treten müsse, dass man jetzt einfach Flexibilität brauche. Daher ist es wichtig, dass alle in Österreich jetzt gut auf die Einhaltung der Verfassung schauen. Sie soll nicht je nach Gefahrenlage oder Herausforderung heute so und morgen anders verstanden werden. Jetzt braucht es viele Menschen, die Politikerinnen und Politiker, Verwaltungsbehörden und Medien ermutigen, dabei mitzutun!