Fraktionen und Koalitionen

Wie in den nationalen oder regionalen Parlamenten, z. B. im österreichischen Nationalrat oder in den Landtagen, schließen sich im Europäischen Parlament (EP) die Abgeordneten zusammen – ganz nach dem Motto: „Gemeinsam sind wir stärker”.

Die Abgeordneten schließen sich aber nicht nach Mitgliedstaat zusammen, sondern organisieren sich nach ihrer politischen Zugehörigkeit; sie bilden sogenannte „Fraktionen”.

Zur Bildung einer Fraktion braucht es mindestens 25 Abgeordnete und in jeder Fraktion müssen sich Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten befinden. So ist sichergestellt, dass nicht „nationale Blöcke“ gebildet werden können und auch innerhalb der Fraktionen ein EU-weiter Austausch stattfindet. Eine Mitgliedschaft in mehreren Fraktionen ist nicht möglich.

Derzeit gibt es im Europäischen Parlament acht Fraktionen:

  • Fraktion der Europäischen Volkspartei (EPP)
  • Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D)
  • Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR)
  • Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE)
  • Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken / Nordische Grüne Linke (GUE/NGL)
  • Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz (Grüne/EFA)
  • Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD)
  • Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF)

Im EU-Parlament findet die gesetzgeberische Arbeit im Austausch zwischen den Fraktionen aber vor allem in den Ausschüssen statt. Hier werden Expert/inn/en und Betroffene gehört, hier wird an Änderungen gearbeitet und eine gemeinsame Linie debattiert. Ausschüsse sind jeweils für bestimmte Themen zuständig, sodass die jeweiligen Mitglieder sich im Detail mit diesen Themen auseinandersetzen können. Anders als im österreichischen Nationalrat wird ein Gesetzesvorschlag nicht bloß in einer sondern in mehreren Sitzungen behandelt und intensiv diskutiert.

Derzeit gibt es im EP etwas mehr als 20 Ausschüsse, z. B. für Verkehr und Tourismus (TRAN) oder Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE ). An den Ausschüssen wird erkennbar, wie außergewöhnlich transparent die Arbeit des Europäischen Parlaments ist: Im Gegensatz etwa zum österreichischen Parlament sind die Debatten in den Ausschüssen öffentlich und werden in der Regel per Webstream übertragen.

Im Gegensatz zu den meisten nationalstaatlichen Parlamenten gibt es im Europäischen Parlament keine festen Koalitionen bestimmter Fraktionen, die die Exekutive stützen und sich auf ein gemeinsames Handlungsprogramm verständigen. Das heißt, dass für jeden Gesetzgebungsakt eine themenspezifische Mehrheit gefunden werden muss (sogenannte „flexible Mehrheitsbildung”).

Dies führt auch dazu, dass die Fraktionsdisziplin im Europäischen Parlament geringer ausgeprägt ist als in den meisten mitgliedstaatlichen Parlamenten. Das heißt, dass Abgeordnete innerhalb einer Fraktion häufig nicht alle gleich abstimmen. Zum Vergleich: In Österreich und anderen Mitgliedstaaten kommt dies sehr selten vor.

Das Abstimmungsverhalten der österreichischen Abgeordneten kann hier nachverfolgt werden: https://oegfe.at/abstimmungsmonitoring/.

Dadurch wird der Entscheidungsprozess einerseits schwieriger als man dies aus den meisten nationalen Parlamenten gewöhnt ist; andererseits kommt so dem/der einzelnen Abgeordneten ein relativ starkes Gewicht zu. Diese vergleichsweise große Bedeutung des/der einzelnen Abgeordneten spiegelt sich in der umfangreichen fachlichen Unterstützung wider, die diese im EP genießen.